Biofeedback (Training zur Beeinflussung des vegetativen Nervensystems)
Was ist Biofeedback?
Biofeedback (übersetzt: biologische Rückkopplung) ist eine Methode, die es ermöglicht, unbewusste Körperfunktionen bewusst zu machen und mit zunehmender Kompetenz auch Kontrolle darüber zu gewinnen. Da diese Funktionen vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden, nimmt mit zunehmender Kompetenz auch die Einflußmöglichkeit auf das vegetative Nervensystem zu. Je größer der Anteil des vegetativen Nervensystems am (Schmerz-) Krankheitsgeschehen ist (sprich: je höher die vegetative Belastung und je mehr funktionelle Beschwerden), umso mehr Hilfe ist von Biofeedback zu erwarten.
Spezielle Biofeedback-Geräte messen Funktionen wie Puls, Hauttemperatur, Muskeltonus oder Atmungsaktivität und wandeln die Meßwerte in sichtbare Monitor- Signale um. Auf diese Weise kann die behandelte Person Rückmeldungen darüber erhalten (feedback) , welchen Einfluß Geisteszustände wie beispielsweise Erregung, Aktivität oder Entspannung auf diese Funktionen haben. Indem der Patient „Entspannung“ imaginiert und sie realisiert, wird über den Monitor der Erfolg dieser Konzentration sichtbar gemacht: Puls und Atmung sinken, die Hauttemperatur nimmt zu. Konsequentes Training läßt ein Kontrollgefühl entstehen: durch Konzentration auf körperliche Signale lassen sich die zugehörigen psychischen Zustände realisieren, -und umgekehrt. Dabei spielen zwei biopsychische Gesetze eine wichtige Rolle.
- jede Konzentration auf einen körperlichen Vorgang hat die Tendenz, sich im Körper zu verwirklichen
- jede verwirklichte Konzentration hat die Tendenz, zu generalisieren.
Beispiel: die Konzentration auf die Eigenschwere meines rechten Armes hat die Tendenz, sich zu realisieren (Anmerkung: durch die Konzentration kommt es zu einer Muskelentspannung, dadurch zu vermehrtem Blutzustrom,- der Arm wird tatsächlich physikalisch meßbar schwerer. Das zugehörige physische Phänomen der Muskelentspannung ist geistige Entspannung: durch Konzentration auf die Eigenschwere läßt sich eine generalisierte Entspannung abrufen.
Durchführung
Biofeedback-Geräte wandeln Biosignale wie Puls, Atmung, Muskelspannung, Hautwiderstand und Hauttemperatur in sichtbare Monitor- Signale um.
Entspannt sich eine Person während der Biofeedback-Therapie, zeigen die Geräte die dabei auftretenden körperlichen Veränderungen an. Auf diese Weise läßt sich der Einfluss von Gedanken, Gefühlen, von Anspannung und Entspannung auf den Körper erkennen. Sie lernt dadurch, welche Verhaltensweisen (körperliche und geistige) ungünstige (schädliche) oder eben günstige (gesundheitsförderliche) Körperreaktionen auslösen. Ein spezielles Training ermöglicht schließlich, eigentlich unwillkürliche (vom vegetativen Nervensystem gesteuerte) körperliche Reaktionen bewusst zu beeinflussen. Nach erfolgreichem Biofeedback-Training können die Behandelten diese Fertigkeiten auch ohne das Gerät anwenden. Wir führen die Biofeedback-Therapie individuell nur so lange fort, bis eine sichere Automatisierung der Selbststeuerung erreicht ist. Ihre Therapie verkürzt sich bei konzentrierter Mitarbeit deutlich. Damit die Wirkung anhält, müssen sie jedoch regelmäßig üben – am besten jeden zweiten Tag für wenige Minuten oder während einer kurzen Pause.Viele Patienten frischen ihre Fähigkeiten nach einigen Monaten mit wenigen Sitzungen fort.
Patienten erlernen während des Biofeedbacks verschiedene schnell wirksame Entspannungsübungen. Darüber hinaus wird eine Wahrnehmung dafür entwickelt, welche äußeren Umstände die jeweiligen Symptome auslösen und wie sie diese zu vermeiden sind.
- Handerwärmungstraining oder Temperatur-Biofeedback: ein Temperaturfühler am Finger misst die Hauttemperatur, welche dem Patienten optisch rückgemeldet wird. Ziel ist die willentliche Erhöhung der peripheren Temperatur, die als Maß für allgemeine Entspannungsfähigkeit gilt. Da die Hauttemperatur unter Stresseinfluß sinkt, läßt sich die Beeinträchtigung durch Stresseinflüsse durch Hauttemperatur-Messung abschätzen und durch Hauttemperatur-Biofeedback beeinflussen. Das Hauttemperatur-Biofeedback setzen wir z.B. zur Migräne-Prophylaxe ein.
- Vasokonstriktionstraining: Bei dieser Biofeedback-Anwendung wird die Weite der Schläfenarterie meist in Form eines Kreisrings auf einem Bildschirm rückgemeldet. Ziel ist die willentliche Verengung der A. temporalis, um damit einen Migräneanfall zu kupieren.
- Elektromyographie-Biofeedback (EMG-Biofeedback): Der Spannungszustand der Muskulatur wird über Klebe-Elektroden erfasst und mittels Biofeedback-Gerät sichtbar gemacht. Ziel ist es, eine Absenkung des Muskeltonus zu erreichen. Einsatzmöglichkeiten dieser Biofeedback-Anwendung ergeben sich u.a. bei Spannungskopfschmerzen, beim Rückenschmerz oder der cranio-mandibulären Dysfunktion.
- Atem-Biofeedback: Chronische Schmerzen werden häufig von Hyperventilation(= zu schnelle oder zu tiefe Atmung) begleitet. Ein Atemtraining, bei dem die Bauchatmung gelernt wird, kann dieses ungünstige Atemmuster verändern. Ein „Atemgürtel“ oder ein Sensor, der über dem Bauch angebracht wird, erfasst Atemfrequenz und Atemtiefe. Diese Biosignale werden rückgemeldet.
- Herzfrequenz-Variabilitäts-Biofeedback: Hierdurch lassen sich beispielsweise Stress und Angst beeinflussen. Die Biofeedback-Methode ist eine sehr sanfte Therapie, bei der der Patient selbst maßgeblich an seiner Heilung beteiligt ist. Er lernt dabei, bestimmte Körperfunktionen zu spüren und über Einflußnahme auf das vegetative Nervensystem zu beeinflussen.
Anwendungsbereiche in der Schmerztherapie
Die Biofeedback-Therapie hat viele verschiedene Anwendungsbereiche und wird fast immer mit anderen Behandlungsformen kombiniert. Insbesondere, wenn der Anteil des vegetativen Nervensystems am Gesamtgeschehen hoch ist (siehe unten), kann man von besonders guter Wirksamkeit ausgehen. Sie kann einen positiven Einfluss haben auf:
- Kopfschmerzen (Migräne, Spannungskopfschmerzen)
- Gesichtsschmerzen
- unspezifische Rückenschmerzen
- situationsspezifische Anspannung symptomrelevanter Muskulatur
- habituell erhöhte Anspannung symptomrelevanter Muskulatur
- situationsspezifisch erhöhte Aktivität vegetativer Systeme
- habituell erhöhte Aktivität vegetativer Systeme
- myofaszialen Schmerz
- Fibromyalgie
- vegetative Dysregulation
- funktionelle Syndrome
- psychosomatisches Geschehen
- somatoforme Schmerzerkrankung
- cranio-mandibuläre Dysfunktion
- Angst und Depression
- Schlafstörungen
- Morbus Raynaud
- Dysfunktionales Stressmanagement, Stressfolgen
- Burn-out-Syndrom
- Medikamenten-Einsparwünsche
Nebenwirkungen
Die Biofeedback-Methode ist eine sehr sanfte Therapie, bei der der Patient selbst maßgeblich an seiner Heilung beteiligt ist. Er lernt dabei, bestimmte Körperfunktionen zu spüren und über Einflußnahme auf das vegetative Nervensystem zu beeinflussen.
Die Methode ist nebenwirkungsfrei und auch für Kinder ab 6 Jahren sowie Erwachsene mit Behinderungen geeignet. Für viele der genannten Indikationsbereiche sind stichhaltige Wirksamkeitsnachweise in Form von kontrollierten Studien erbracht und in Metaanalysen mittlere bis große Effektstärken gezeigt worden. Dennoch werden die Kosten für Biofeedback nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Vorteile von Biofeedback
- Als Gründe für Patienten zur Wahl von Biofeedback-Behandlungen nennt die Mayo Clinic:
- Die Methode ist nicht-invasiv.
- Sie kann die Notwendigkeit von Arzneimitteln vermindern oder völlig ausschalten
- Sie kann eine Behandlungsalternative für jene Patienten sein, bei denen Arzneimittel kontraindiziert sind.
- Sie kann eine Möglichkeit in solchen Fällen sein, in denen Arzneimittel keine gute Wirkung zeigten
- Sie kann eine Alternative zu Arzneimitteln während der Schwangerschaft und Stillzeit sein
- Bei Kindern ab 6 Jahren anwendbar
Was können Sie von Biofeedback erwarten?
Eine Biofeedback-Sitzung dauert ca. 30 Minuten. Dauer und Häufigkeit sind abhängig von Ihrer Erkrankung, Ihrem Ausmaß an Beeinträchtigung und Ihrer Lernfähigkeit. Durchschnittlich benötigen unsere Patienten 10 Sitzungen zur Erzielung befriedigender Erfolge. Wenn Sie Freude entwickeln an der spielerischen Anwendung, werden sich deutliche Besserungen und Medikamenteneinspareffekte einstellen. Möglicherweise werden Sie schon bald für Ihre Konzentrationsübungen gar keine Geräte mehr benötigen und selbständig weiterüben können.
Wissenschaftliche Publikationen
Biofeedback for headaches. Schmerz 2010 Jun;24(3):279-88; quiz 89
Winfried Rief, Nils Birbaumer (Hrsg.): Biofeedback. Grundlagen, Indikationen, Kommunikation, Vorgehen. 3., vollst. überarb. und erw. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7945-2748-9
Timon Bruns, Nina Praun: Biofeedback. Ein Handbuch für die therapeutische Praxis. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-46160-7
Gerhard H. Eggetsberger: Biofeedback – Heilung durch Körpersignale, Hilfe bei: Muskelverspannungen, Migräne, Ängste, Sexualstörungen, u. v. a. m.. Verlag Perlen Reihe, Wien 1994, ISBN 3-85223-257-0
Edzard Ernst: Praxis Naturheilverfahren. Springer, Heidelberg 2005